KOBV Österreich spricht soziale Schieflage bei Selbstbehalten der ÖGK an
Der KOBV Österreich – Der Behindertenverband äußert sich anlässlich des bevorstehenden Inkrafttretens am 1. Juli über die Wiedereinführung von Selbstbehalten bei Krankentransporten mit klaren Worten: Ja, wir erkennen die außergewöhnlich angespannte Finanzlage der Österreichischen Gesundheitskassa (ÖGK) und des gesamten Systems an. Nein, wir akzeptieren nicht, dass Menschen mit Behinderungen dadurch strukturell benachteiligt werden, so Präsident Franz Groschan.
Die angekündigten Selbstbehalte – 7,55 Ꞓ pro Taxifahrt, 15,10 Ꞓ pro Sanitätstransport, für maximal 28 Fahrten jährlich – sollen nach Angaben der ÖGK Teil eines Maßnahmenpakets zur Konsolidierung eines Defizits sein, das sich bis 2029 auf über 1,3 Milliarden Euro summieren könnte. Der KOBV versteht sehr wohl die ökonomische Realität, die hinter diesen Vorhaben steht: stagnierende Beitragseinnahmen, steigende Ausgaben im Gesundheitsbereich, demografischer Wandel, strukturelle Überinanspruchnahme in bestimmten Segmenten. Doch die Lösung darf nicht darin bestehen, vulnerable Gruppen erneut zu belasten.
Unsere Haltung bleibt unmissverständlich: Selbstbehalte im Gesundheitswesen stellen ein Abweichen vom Solidarprinzip dar – insbesondere, wenn sie pauschalisiert eingeführt werden. Wenn es keinen anderen Weg gibt, dann nur unter klaren und engen Voraussetzungen.
Der KOBV fordert daher:
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Erweiterung der Ausnahmen: Nicht nur Dialyse-, Chemo- oder Strahlen-behandelte Personen, Not-Transporte, Kinder unter 15 Jahren sowie jene Personen, die auf Grund ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit von der Rezeptgebühr befreit sind, sondern auch Menschen mit dauerhafter Mobilitätseinschränkung müssen pauschal von Selbstbehalten befreit werden.
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Soziale Staffelung statt Gießkanne: Eine einkommens- und bedarfsorientierte Staffelung muss gesetzlich verankert werden. Die Umsetzung muss derart effizient ausgestaltet sein, dass die Verwaltungskosten möglichst gering bleiben.
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Barrierefreie Alternativen fördern: Der Ausbau ambulanter, barrierefreier Strukturen würde nicht nur Versorgungssicherheit erhöhen, sondern langfristig Kosten senken, da weite Krankentransporte nicht mehr notwendig wären.
Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten müssen soziale Grundrechte wie das Recht auf barrierefreie medizinische Versorgung besonders geschützt werden. Nicht zuletzt die UN-Behindertenrechtskonvention schließt aus, dass pauschale Selbstbehalte jene treffen, die bereits strukturell benachteiligt sind.
Wir sind bereit, konstruktiv und realitätsnah an Reformen mitzuwirken. Aber es braucht gerechte Differenzierungen, rechtlich abgesicherte Ausnahmeregelungen und ein Gesundheitssystem, das sich nicht durch kurzfristige Einsparungen sozial entkernt.
Wer gerade im Gesundheitssystem nicht die Schwächsten schützt, muss sich fragen lassen, wie viel vom solidarischen Sozialstaat noch übrig ist.
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